Wie zwingt man eine Regenjacke zum Atmen
Praktische Anleitung zur Atmungsaktivität bei Regenbekleidung
Wer nicht schwitzen will, braucht atmungsaktive Bekleidung. Diese Aussage gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen. Besonders beim Kauf neuen Regengewands kommt gleich am Anfang die Frage, ob dieses nun atmen kann. Nicht selten ist dann die Enttäuschung groß, wenn man trotz Zusicherungen der Hersteller bzw. Verkäufer buchstäblich schweißgebadet im Regen steht. In der Praxis hängt das körperliche Wohlbefinden bzw. Schweißfreiheit jedoch nicht allein von der Atmungsaktivität der Regenjacke ab, die atmende Jacke ist nur ein Glied in einer Kette mehrerer Einflussfaktoren. Sobald die Kette eine Schwachstelle aufweist, funktioniert nichts mehr.
Welche Faktoren beeinflussen das Schwitzen und welche davon kann ich beeinflussen?
Um eine Antwort zu finden, nehmen wir folgende Ausgangssituation: „Ich bin unterwegs im Regen und ich schwitze“. Wir präsentieren hier eine Checkliste mit Fragen, welche man sich in der angegebenen Reihenfolge stellen soll, und einige einfache Tipps. Das soll helfen, den „Schuldigen“ an der Schwitzmisere zu finden und nach Möglichkeit zu beseitigen.
1. Habe ich zu viel an?
Das soll die erste Frage sein, wenn man schwitzt.
Warum schwitze ich eigentlich?
Der menschliche Körper braucht eine konstante Temperatur von 37 °Grad, um die lebensnotwendigen Funktionen aufrecht zu erhalten. Je nach Umgebung, schützt sich der Mensch entweder vor Unterkühlung oder vor Überhitzung, oder mit anderen Worten, betreibt Thermoregulation (=Wärmeregulierung). Zum Teil ist die Thermoregulation eine bewusste Entscheidung – gegen Unterkühlung ziehen wir uns an. Zum Teil aber ein unbewusster Körperreflex, wie Zittern bei Kälte oder Schwitzen bei Hitze.
In europäischen Ländern sorgt unser Gewand drei Viertel des Jahres dafür, dass die Kälte aus der Umgebung unseren Körper nicht abkühlt. Dabei erzeugt der Körper auch selbst Wärme.
Diese Wärme kann grundsätzlich auf 4 verschiedene Arten in die Umgebung geleitet werden:
Strahlung (das sind elektromagnetische Wellen – vergleichbar mit warmen Sonnenstrahlen)
Konvektion (kalte Luft nimmt die Wärme weg, der Wind bringt an ihre Stelle neue kalte Luft, welche wieder den Körper abkühlt)
Schwitzen (durch die Verdunstung des Schweißes an der Hautoberfläche, die sogenannte Verdunstungskälte, wird die Haut abgekühlt)
Atmung (diesen Abkühlungsmechanismen beherrschen Hunde sehr gut)
Die Aufteilung der verschiedenen Arten der Wärmeabgabe beträgt bei einem ruhenden Menschen in einer Umgebung von 20 °C: 46 % Strahlung, 33 % Konvektion, 19 % Schwitzen, 2 % Atmung. Bei niedrigeren Temperaturen bzw. bei Wind steigt die Wärmeabgabe durch Strahlung und Konvektion so stark, dass das Schwitzen als sekundärer Abkühlungsmechanismus gar nicht einschaltet. Dank Bekleidung oder bei schwülem Wetter reichen die Strahlung und Konvektion für den Wärmeabgang nicht aus. Dann bleibt um den Körper zu viel Wärme und – nur dann – fangen wir reflexartig zu schwitzen an.
Das heißt, in den allermeisten Fällen schwitzen wir nur, weil es uns zu heiß ist.
Tipp: beim Schwitzen eine Gewandschicht ausziehen.
Das sagt auch das viel propagierte Zwiebelprinzip: statt eine dicke Bekleidungsschicht mehrere dünnere anziehen, welche nach Bedürfnissen kombiniert werden. Dabei soll das Gewand je nach Bedarf einmal mehr einmal weniger Wärme nach außen leiten und so den Körper bei der Wärmeregulierung unterstützen. Das können zu einem gewissen Maß die sogenannten smarten Textilien bzw. Funktionstextilien mit thermoregulierenden Eigenschaften. Unter anderem wird Merinowolle nachgesagt, das Klima auf natürliche Art gut zu regulieren.
Kurz gefasst: Um das Schwitzen in Griff zu bekommen, soll die Kleidung die Temperatur regulieren, und nicht das Schwitzen.
Tipp: bei Kauf der Kleidung auf wärmeregulierende Eigenschaften achten.
2. Hat sich mein Bewegungsmuster geändert?
Wir ergänzen unsere Ausgangssituation: Ich fahre mit dem Fahrrad gemütlich durch die Gegend und fühle mich in meiner Radregenjacke wohl. Da kommt eine steile Strecke bergauf und ich schwitze wie in der Sauna. Was ist los?
Durch die Verbrennung der Nahrung erzeugt der Körper Energie; diese wird nur zu 20% für Bewegung verbraucht und zu 80% für die Wärmeproduktion (also nicht gerade energieeffizient) Müssen die Muskeln mehr Leistung erbringen, damit man die Strecke bergauf schafft – wird vom Körper auch mehr Energie produziert. Und zusätzlich das Vierfache davon für unnötige Wärme verschwendet. Folge: Überhitzung durch Bewegung. Wie diese überschüssige Wärme gemanaged wird, zum Beispiel mit passender wärmeregulierender Kleidung, entscheidet darüber, wie viel man schwitzt.
Tipp: Bewegung möglichst gleichmäßig halten
– In unserem Beispiel entweder auf der leichten Strecke kräftiger in Pedalen treten, oder bergauf gemütlicher fahren, damit sich die Muskelanstrengung nicht abrupt ändert. Zwiebeltechnik und Thermoregulation nicht vergessen.
3. Gibt es eine zusätzliche Wärmebarriere?
Wenn ich einen Rucksack trage oder am Liegerad unterwegs bin, hängt die Wärmeableitung am Rücken mit den Eigenschaften dieses Rucksackes bzw. des Sitzes des Liegefahrrades zusammen. Wenn ein Plastikrucksack fest am Rücken drückt, nutzt selbst die beste Funktionsbekleidung nichts, da die Wärme und gegebenfalls auch Schweiß nicht heraus kann.
Tipp: Bei Rucksäcken / Taschen auf entsprechende (luftdurchlässige) Polsterung achten. Passenden Sitz bzw. Bezug für das Liegefahrrad wählen.
4. Ist meine Bekleidung unter der Regenbekleidung atmungsaktiv?
Würde die konstante Körpertemperatur alleine mit der Wahl der passenden Bekleidung gehalten, wäre der Rest dieses Beitrages nicht relevant. In der Praxis ist es jedoch kaum umsetzbar: auf einer verregneten Radtour eine Bekleidungsschicht (und zwar nicht die wasserdichte) ausziehen dann wieder anziehen, ob es bergauf oder bergab geht, ist ziemlich unmöglich oder würde zumindest den Spaß beträchtlich mindern.
Das bedeutet, realistisch betrachtet wird es mir früher oder später zu warm, mein Körper wehrt sich dagegen, möchte sich abkühlen und erzeugt Schweiß. Die Kleidung soll dabei ihre zweite wichtige Aufgabe erfüllen: mir trotz Schwitzen einen angenehmen Körpergefühl ermöglichen.
Zur Beschreibung dieser Funktion des Gewandes werden verschiedene Begriffe verwendet: Atmungsaktivität, Wasserdampfdurchlässigkeit, Feuchtigkeitsmanagement, Wicking, Direct Venting, Moisture Management usw.
Bei allen diesen Begriffen geht es darum, ohne sich in feine Unterschiede zu vertiefen, was mit dem produzierten Schweiß passieren muss, damit ich mich wohl fühle. Wir werden einfachheitshalber den Ausdruck „Atmungsaktivität“ verwenden. Zwar geht es streng genommen nicht um Atmung (Respiration) sondern um Schwitzen (Transpiration), dafür erlaubt der Ausdruck viele schöne abgeleitete Wortkreationen: Jacke atmet, atmungsaktive Regenhose, atmende Funktionsshirt usw.
Damit der durch Schweißdrüsen abgesonderte Schweiß die Kühlung erwirkt, muss er nah an der Haut verdunsten, es entsteht die sogenannte Verdunstungskälte. Die Unterwäsche bzw. direkt an der Haut liegende Bekleidung spielt da die entscheidende Rolle: sie soll den zur Kühlung benötigten Schweiß am Körper halten, den nach der Verdunstung entstandener Schweißdampf aufnehmen und ihn nach außen bzw. zur nächsten Schicht transportieren. Reagiert die Unterwäsche so gezielt auf Bedürfnisse des Körpers, fühlt man sich angenehm trotz Schwitzen – der Tragekomfort ist sehr hoch.
Wenn die Unterwäsche den kompletten Schweiß sofort aufsaugt (zB Polyester, Nylon), entsteht keine Verdunstungskälte, worauf der Körper mit vermehrter Schweißproduktion reagiert. Wird die Feuchtigkeit zwar aufgesaugt aber nicht an andere Bekleidungsschichten weitergegeben (Baumwolle), fühlt sich das T-Shirt feucht und unangenehm an. Es kann also bereits an der Haut viel schiff gehen, was die nächsten selbst atmungsaktivsten Bekleidungsschichten nicht mehr richten können.
Um optimal funktionieren zu können, muss die erste Lage körpernah geschnitten sein, ansonsten wirkt die zwischen Haut und Gewand entstandene Luftschicht als Isolator und die Funktionsbekleidung kann nicht atmen.
Tipp: Eng anliegende Funktionsunterwäsche bzw. Funktionsshirt wählen. Manche Teile weiten sich während des Gebrauchs noch, beachte dies beim Kauf.
Die zweite Schicht soll nun den Wasserdampf zur Außenbekleidung weiter transportieren. Auch hier gilt: möglichst eng anliegende Bekleidung wählen (Bewegungsfreiheit vorausgesetzt).
Tipp: testen Sie ihre Funktionskleidung erstmals getrennt – so lässt sich gezielt feststellen, wie gut die einzelnen Stücke tatsächlich sind.
Die Außenschicht, in unserem Fall Regenschutz, nimmt vom innenliegenden Gewand den Schweißdampf auf und leitet ihn nach außen. Der Regenschutz kann somit nur das transportieren, was er von tieferen Schichten bekommen hat. Mit einem breiten Baumwollshirt wird die Atmungsaktivität der äußeren Funktionsbekleidung zunichte gemacht.
Tipp: damit Atmungsaktivität gegeben ist, müssen ALLE Bekleidungsschichten atmungsaktiv sein.
5. Verursachen die klimatischen Bedingungen das Schwitzen?
Die Feuchtigkeit kann wandern – von der Haut zum Gewand und weiter in die Umgebung – nur wenn es ein Druckgefälle gibt, mit welchem der Schweißdampf nach außen befördert wird. Dieses Gefälle entsteht durch die Differenz in Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Idealfall: draußen ist trocken und kalt, im Jackeninneren ist feucht und warm – der entstandene Druckunterschied presst Schweißmoleküle durch die Regenjacke, die Jacke atmet. Bei Regen fällt also der Druck auf Grund der feuchten Außenluft schon einmal weg. Nähern sich zusätzlich die Außentemperaturen der Hautwärme an, kommt dieser Druckausgleich endgültig ins Stocken. Bei tropischen Temperaturen kann der Prozess sogar umgekehrt werden und die Luftfeuchtigkeit drückt in die Kleidung.
6. Beeinflussen individuelle Faktoren das Schwitzen?
Die Wärmeregulation und die damit verbundene (=gesunde) Schweißabsonderung ist sehr individuell. Tendenziell schwitzen Männer mehr als Frauen, dickere Menschen mehr als dünnere, Trainierte mehr als Untrainierte, hitzeakklimatisierte (heißer klimatischer Bedingungen gewohnte) Menschen mehr als nicht Akklimatisierte. Wo ich persönlich in diesem Raster stehe, und ob ich eher der allgemeinen Tendenz oder der „Abweichung“ entspreche, muss ich selber herausfinden und dementsprechend meine Bekleidung auswählen.
7. Ist meine Regenbekleidung atmungsaktiv?
Sobald ich die vorherigen Punkte geklärt bzw. beseitigt habe, kriege ich das Schwitzen in 9 von 10 Fällen in Griff.
Und was, wenn nicht? Ich habe vorher beim gleichen Wetter im gleichen Gewand bei gleicher Bewegungsart nicht geschwitzt, mit angezogener Regenjacke + Regenhose fängt auf einmal das Saunafeeling an? Es wird trotzdem in den meisten Fällen nicht an der Qualität der Jacke liegen, sondern daran, dass jede zusätzlich angezogene Gewandschicht die Wärme zusätzlich isoliert. Also zurück zum Punkt 1 Thermoregulation.
Tipp: dünne Stoffe halten bei sonst gleichen Eigenschaften weniger Wärme als dicke Stoffe, daher leichte Regenhüllen bevorzugen.
Es kann aber auch tatsächlich eine schlechte bzw. nicht atmungsaktive Regenkleidung an der Schwitzmisere schuld sein. Was sind die Kriterien für eine gute Regenbekleidung?
Wasserdicht, winddicht, atmungsaktiv
Gute Regenfunktionstextilien sind jedenfalls wasserdicht, winddicht und atmungsaktiv. Sie halten Regenwasser fern (wasserdicht), leiten gleichzeitig Wasserdampf von innen nach außen (atmungsaktiv) und lassen Luft von außen nicht ins Innere (winddicht) – eine dreifache Herausforderung also. Mit einer nicht winddichten Funktionsbekleidung spüren wir je nach Windstärke extreme Schwankungen in Wärmeverlust durch Konvektion. Umso höher die Windgeschwindigkeit umso kälter die gefühlte Temperatur – dieses Phänomen wird allgemein als Windchill (=Windkühle) bezeichnet. Eine Außentemperatur von -1°C wird bei einem Sturm mit Windgeschwindigkeit von 56 km/h wie – 21°C gefühlt/erlebt, während es uns bei Winddichtem nur geringfügig kälter vorkommt.
Eine Wasserschutzbekleidung besteht je nach Einsatzgebiet und Konstruktion aus einem wasserdichten Stoff und gegebenenfalls einem Futter / Mesheinsatz. Diese haben verschiedene Eigenschaften, welche über Qualität bzw. Atmungsaktivität des Gesamtproduktes entscheiden.
Wasserdichter Stoff
Wasserdichte und gleichzeitig atmungsaktive Stoffe gibt es derzeit als 2-lagige, 3-lagige und 2,5-lagige Ausführungen. Die einzelnen Lagen werden in der Textilproduktion untrennbar miteinander verbunden.
Lage: Trägerfaser für wasserdichte Schicht, in der Regel die äußere Oberfläche des Stoffes.
Lage: Wasserdichte Schicht (Membran oder Beschichtung). In den seltensten Fällen liegt sie außen, ansonsten innen.
Lage: Schutz für die wasserdichte Schicht – extra Lage Stoff, um den Abrieb der Membran / Beschichtung zu minimieren.
Es gibt noch 0,5-Lage – ein einfarbiger Aufdruck auf der innenliegenden wasserdichten Schicht. Laut Produzenten sollte dieser Aufdruck die wasserdichte Schicht vor Abrieb schützen bzw. einen Abstand zur Haut für besseren Tragekomfort schaffen.
Vollständigkeitshalber seien auch 1-lagige Stoffe erwähnt, sie können jedoch mit jetzigem Technologiestand beide Eigenschaften nicht vereinen:
wasserdicht nicht atmungsaktiv – „Plastiksack“ wie einige billige Regenponchos;
atmungsaktiv nicht wasserdicht – jedoch wasserabweisend dank Imprägnierung. Beim Imprägnieren wird auf die Oberfläche des Stoffes eine Substanz aufgetragen, sodass der Stoff eine Zeit lang Wasser abstößt (das bekannte Abperlen). Dieser Effekt dauert nur kurz an, wasserabweisende Stoffe werden im Regen früher oder später nass. Außerdem wird diese Substanz je nach Imprägnierungsart sukzessiv ausgewaschen: die Bekleidung lässt noch schneller Wasser durch.
Futter / Mesheinsatz
Futter / Mesheinsatz wird bei der Fertigung des Regengewands mit dem wasserdichten Stoff zusammengenäht. Das hat wärmende Funktion (Futter), schafft Abstand zur Haut für besseren Tragekomfort (Mesheinsatz – ein dünnes Stoffnetz) oder soll die wasserdichte Schicht vor Abrieb schützten bzw. das Gewand optisch aufwerten.
Tipp: Angaben zur Atmungsaktivität der Jacke beziehen sich nur auf den Stoff selbst! Ein nicht luftdurchlässiges Futter kann man nur durch einen Tragetest „entlarven“.
Ob der Stoff atmungsaktiv ist, entscheidet in der Praxis nicht die 1. oder 3. Lage – diese können ohne große Kosten dampfdurchlässig hergestellt werden, – sondern die zweite, wasserdichte Lage.
Membran versus Beschichtung
Je nach Produktionsverfahren der wasserdichten Lage differenziert man zwischen Membran und Beschichtung. Eine Membran ist eine poröse Kunststoff-Folie und wird auf das Trägermaterial quasi aufgeklebt; eine Beschichtung wird im flüssigen Zustand auf das Trägermaterial angebracht und verbindet sich beim Trocknen mit diesem. Chemische Zusammensetzung ist für die Klassifizierung nicht ausschlaggebend, so wird zum Beispiel aus Polyurethan (PU) sowohl PU-Beschichtung wie auch PU-Membran hergestellt.
Früher hat man der Membran nachgesagt, grundsätzlich mehr atmungsaktiv als Beschichtung zu sein. Mit neuen Technologien bewegen sich die Unterschiede in einem für Menschen kaum spürbaren Bereich.
Messung der Atmungsaktivität: RET und MVTR
Es gibt zwei gängige Scalas zur Messung der Atmungsaktivität der Textilien: RET und MVTR.
Der RET-Wert (=Resistance to Evaporating Heat Transfer), gemessen in m²Pa/W, gibt den Widerstand an, welchen ein textiler Stoff dem Wasserdampf entgegensetzt. Je niedriger dieser Wert ist, desto atmungsaktiver ist das Material.
Der MVTR (=Moisture Vapor Transmission Rate), gemessen in g/m²/24h, gibt an, wie viel Gramm Wasserdampf durch einen Quadratmeter Textil in 24 Stunden verdunstet. Je höher dieser Wert ist, desto besser ist die Atmungsaktivität.
Die Umrechnung dieser beiden Werte ist kaum durchführbar, da hier verschiedene Parameter bewertet werden. Nachdem es keine einheitlichen Messverfahren etabliert sind, kommt es immer wieder vor, dass verschiedene Labors komplett unterschiedliche Angaben zur Atmungsaktivität eines und desselben Textiles machen.
Der MVTR-Wert ist gerade unter Konsumenten weit bekannter als RET, und wird umgangssprachlich nur mit Zahlenangabe als „Atmungsaktivität 5.000“ oder „10.000“ usw. abgekürzt. Mitunter bewerben Hersteller die Sportbekleidung mit surrealen Atmungsaktivitätswerten von 26.000g/m²/24h und höher. Das würde bedeuten, dass ein durchschnittlicher Mann mit 1,9 m² Körperoberfläche, fast 50kg Schweiß in 24 Stunden absondert: als würde der Mensch dank der Sportbekleidung verdampfen können.
Gute funktionelle Membranen bzw. Beschichtungen arbeiten mit Wassersäulen bis zu 10.000mm und einer Atmungsaktivität von bis zu 8000g/m²/24h. Sie halten einem Wasserdruck von bis zu 10 Metern stand und lassen noch bis zu 8kg Körpergewicht durchdampfen in 24 Stunden – selbst das wäre eine Diät 8kg in einem Tag, nur leider käme hier das Problem mit der Dehydrierung.
Doch der springender Punkt: je mehr Feuchtigkeit außen verdunsten soll, desto kälter es draußen sein muss bzw. desto größer das Druckgefälle zwischen innen und außen sein muss, damit die Außenluft diese Feuchtigkeit auch tatsächlich aufnimmt. Das heißt, die Funktionsbekleidung mit sehr hoher Atmungsaktivität funktioniert nur bei sehr niedrigen Außentemperaturen. Bei Plustemperaturen im Regen ist es physikalisch unmöglich, dass die Außenluft so riesige Mengen an Feuchtigkeit zusätzlich aufnimmt; bei einer bestimmten Menge hört die Außenluft einfach auf, den von der Bekleidung transportierten Wasserdampf aufzunehmen. Und da ist es völlig irrelevant, ob eine Jacke 10kg (=MVTR 10.000g/m²/24h) und die andere 20kg(=MVTR 20.000g/m²/24h) „ausatmen will“ – für den Benutzer fühlen sie sich gleich an.
In dieser Situation kann Wind bzw. Fahrtwind etwas Abhilfe schaffen und den Tragekomfort erhöhen. Der Wind bläst mechanisch den Wasserdampf und die Wärme von der Oberfläche der Regenbekleidung weg und trägt somit zur Kühlung und Feuchtigkeitsabtransport bei.
Kurz gesagt: in unseren klimatischen Bedingungen ist eine sehr hohe Atmungsaktivität gerade für das Regengewand praktisch nutzlos. Die Bekleidung muss atmungsaktiv sein, und das ist die Trennlinie zwischen einer guten und einer schlechten Regenjacke. Es ist aber praktisch unmöglich, den Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Jacke im Sinne der Atmungsaktivität festzustellen.
Tipp: grundsätzlich atmungsaktive Regenbekleidung kaufen. Die Atmungsaktivität im mittleren Bereich (MVTR 6.000-10.000 g/m2/24St, RET 14-8 m²Pa/W) reicht völlig aus – alles andere spürt man einfach nicht.
Zusammenfassung
Mit diesen einfachen Tipps wird das körperliche Wohlbefinden im Regen optimiert:
Zwiebeltechnik anwenden – mehrere Gewandschichten, wenn es zu warm wird, eine Schicht ausziehen
Bekleidung mit wärmeregulierenden Eigenschaften wählen
Auf gleichmäßige Bewegung achten
Wärmebarrieren meiden (Rucksack mit luftdurchlässigen Polsterungen)
Möglichst körpernah geschnittene Funktionskleidung wählen
Alle Bekleidungsschichten sollen atmungsaktiv sein
Bei Regenschutz auf Futter verzichten bzw. auf Atmungsaktivität des Futters achten
Nachlese:
http://www.uni-magdeburg.de/isut/TV/Download/Der_Mensch_als_waermetechnisches_System.pdf
http://www.drpetry.de/fileadmin/user_upload/petry/pdfs/Moisture_Management_d.pdf
http://www.laufkalender24.at/de/lauftipps/123-intelligente-Textilien.html
http://www.loges.de/prinzip-biologik/sportwissen/die-zweite-haut/
http://www.athenlauf.de/fileadmin/files/Beitraege/kleidung.pdf
http://shop.rusty-hook.com/media/materialtechnologie/pdf/winddicht_wasserdicht.pdf
http://www.gore-workwear.de/cms-images/746/827/en343_dt.pdf